Die ehemalige SPD-Familienministerin Renate Schmidt zu Gast in Aschaffenburg
Renate Schmidt analysierte bei ihrer Lesung zum Frauentag im Aschaffenburger im MiZ (Miteinander im Zentrum) glasklar: Eine Hinzuverdienerehe kostet die Gesellschaft im Laufe eines Arbeitslebens eine halbe Million Euro - mit Studium, Ehegattensplitting und der beitragsfreien Krankenversicherung für die nicht berufstätige Partnerin.
Dass die Frauen, die in diesem Modell leben, meist auch persönlich das Nachsehen haben, ergebe sich zwangsläufig: Lohnlücke im Erwerbsleben, geringe Rentenanwartschaften, und – bei einer Scheidungsrate von nahezu 30 Prozent - auch finanzielle Einbußen bei einer Trennung vom Partner. Schmidt fordert mit ihrem Buch „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ alle Frauen auf, ihre Existenz eigenständig zu sichern.
Beim Frauenhearing Aschaffenburg, in dem auch die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) Aschaffenburg engagiert ist, riet die ehemalige Bundesministerin den Frauen, mit der Heirat einen Ehevertrag zu schließen. „Er sollte im Standesamt mit der Heiratsurkunde ausgehändigt werden“ ergänzte Moderatorin Renate Oehler. Die Aschaffenburger Gleichstellungsbeauftragte Hiltrud Höreth wies darauf hin, dass eine entsprechende Informationsschrift im Standesamt ausliegt.
Wenn das alles launig klingt, die Zahlen zeigen einen handfesten Hintergrund: Die Hausfrauen- oder Hinzuverdienerehe gehört keineswegs der Vergangenheit an – und der Staat hilft durch falsche Anreize in der Steuerpolitik, dieses Modell zu zementieren: Die Wahl der Steuerklassen III und V sei fatal für die Netto-Einkommen und die Rentenansprüche der hinzuverdienenden Ehefrau. Lohnersatzleistungen wie Elterngeld, Krankengeld oder Arbeitslosengeld berechnen sich nach dem vorherigen Nettogehalt. Zwar zahlt der Staat bis zu 200 Milliarden Euro pro Jahr für Familien und Ehen, aber die Verteilung gehe zu Lasten einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen.
Mit Nachdruck forderte Schmidt die Aufhebung des Ehegattensplittings zugunsten einer Individualbesteuerung: Die bestehende Regelung trage dazu bei, dass die Frauen (vor allem wenn Kinder da sind) ihren Beruf zurückstecken – mit allen Folgen bis hin zur Altersarmut. Familienministerin Manuela Schwesig wolle umlenken: Elterngeld, mehr Geld für Kitas und Ganztagesbetreuung, die Option für beide Elternteile, zugunsten der Familie die Arbeitszeit auf 32,5 Wochenstunden zu reduzieren. Immerhin nehmen inzwischen 25 Prozent der Väter Elternzeit in Anspruch, aber meist nur die zwei Vätermonate. Die Aufteilung in zwei gleiche Teile wäre ihrer Ansicht nach ein Mittel, dass Vater und Mutter berufstätig bleiben können.