Fachgespräch mit Martina Fehlner und Andreas Lotte
Zu einem Fachgespräch zum Thema „Soziale Wohnraumförderung – bezahlbarer Wohnraum für jedermann!“, hatte die Aschaffenburger Landtagsabgeordnete Martina Fehlner gemeinsam mit ihrem Landtagskollegen Andreas Lotte, wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, eingeladen. Die SPDLandtagsabgeordneten wollten sich vor allem mit den Experten vor Ort über die Wohnungsmarktsituation in Stadt und Landkreis Aschaffenburg austauschen und über mögliche Lösungsansätze und Initiativen bei den Themen Wohnungsmangel, sozialer Wohnungsbau, staatliche Wohnraumförderung, Leerstände, Kooperationen mit Bauträgern, Mietpreisbremse etc. diskutieren.
„Wohnen ist ein soziales Grundrecht und ist als solches in der Bayerischen Verfassung verankert. Die Staatsregierung hat zu lange zu wenig in den Wohnungsbau investiert“, stellte Martina Fehlner zu Beginn des Gesprächs fest und warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft. “Viele Gemeinden und Landkreise wollen sich deutlich stärker engagieren, um Wohnraum zu schaffen. Dies ist ihnen allerdings bislang häufig nicht möglich, da sie sich mit einer Vielzahl rechtlicher Hürden konfrontiert sehen. Kommunen im ländlichen Raum sind oft auf die Hilfe der Landkreise angewiesen, diese dürfen jedoch bislang nicht helfen. Hier müssen wir ansetzen.“
Die SPD-Fraktion hat aus diesem Grund ein Antragspaket mit dem Titel “Kommunen stärken – bezahlbaren Wohnraum ermöglichen“ in den Bayerischen Landtag eingebracht. In dem Antragspaket wird die Staatsregierung u.a. aufgefordert, dem Landtag einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung zu unterbreiten, mit der auch die Landkreise eindeutig berechtigt werden, sozialen Wohnungsbau betreiben zu können.
Ein ganzes Bündel an weiteren Vorschlägen unterbreitete Andreas Lotte bei der Diskussion. Lottes Ziel: Den Bestand an staatlichen und genossenschaftlichen Wohnungen so weit zu erhöhen, dass sie einen mäßigenden Einfluss auf das Mietniveau vor Ort haben. Die SPD-Landtagsfraktion trete dafür ein, das bisherige „Gießkannenprinzip“ bei der Vergabe von Fördermitteln verstärkt durch eine gezielte Steuerung zu ergänzen. Bei den Genossenschaften, die sich in den vergangenen Jahren weitgehend auf Modernisierungen beschränkt hatten, stößt dieser Vorschlag auf offene Ohren. Doch auch der Staat sei gefordert: „Versagt der Markt, so muss in einer sozialen Marktwirtschaft der Staat regulierend eingreifen“, betonte Lotte. Um gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern, hält der wohnungspolitische Experte eine staatliche Wohnbaugesellschaft für unverzichtbar: „Nur so ist es möglich, am Gemeinwohl orientiert und auf Nachhaltigkeit ausgelegt zu bauen.“ Dass etwas geschehen muss, ist offenkundig: Gab es 1999 noch 250.000 Sozialwohnungen, so waren es 2015 nur noch 130.000. In Bayern kamen damit 97 Menschen auf eine Sozialwohnung, in Brandenburg waren es nur 19, in Nordrhein- Westfalen 39 und selbst in Hessen nur 53 Menschen. Gerade einmal 20 Euro wendet der Freistaat in diesem Bereich derzeit pro Einwohner und Jahr auf. 2016 entstanden bundesweit zwar wieder 300.000 Wohnungen. Doch es überwiegen Ein- und Zweifamilienhäuser. Der Geschosswohnungsbau kommt nur langsam voran. „Esrechnet sich nicht. Für die Privaten ist es attraktiver Eigentumswohnungen zu bauen“, erklärt Lotte diese unbefriedigende Entwicklung.
Wie es besser geht, stellte er an Hand des Beispiels der Stadt München vor: Im Zuge des Konzepts der sozialgerechten Bodennutzung habe die Stadt den Verkauf kommunaler Grundstücke an klare Vorgaben geknüpft. „Vergeben wurde nicht an den, der am meisten zahlt, sondern der das beste Konzept hat“, erklärte Lotte. Das Ergebnis: langfristige Mietpreisbindungen und erschwingliche Mieten - ein Modell für Land und Bund. Kurzfristig bieten zudem der Ausbau von Dachgeschossen oder die Nachverdichtung Möglichkeiten, neuen Wohnraum zu schaffen. Mit einer „einkommensorientierten Förderung“ der Mieter von Sozialwohnungen möchte er zudem Fehlbelegungen vermeiden und für eine stärkere Durchmischung einzelner Stadtquartiere sorgen.
Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion Wolfgang Giegerich wies auf die aktuelle Situation in Aschaffenburg hin: „Wir benötigen bis zum Jahr 2030 rund 4000 weitere Wohnungen in der Stadt. Auf Initiative der SPD-Stadtratsfraktion hat die Stadt Aschaffenburg ein wohnungsbaupolitisches Konzept verabschiedet, in dem eine Vielzahl von Zielen für den Wohnungsmarkt definiert worden sind.“
Stadtentwicklungsreferent Bernhard Keßler hob die besondere Stellung Aschaffenburgs hervor: „Wir liegen in der Metropolregion Frankfurt Rhein/Main, d.h. wir können uns nicht mit Städten wie Würzburg, Rosenheim oder Landshut vergleichen. Auch die Staatsregierung muss auf die veränderte Situation im Norden Bayerns eingehen. Hier gibt es eine ganz andere, viel kleinteiligere Parzellenstruktur der Eigentumsverhältnisse, was beispielsweise bei der Umlegung neuer Baugebiete oft Probleme bereitet.“
SPD-Stadtrat Walter Roth kritisierte, dass zwar zunehmend ehemalige Gewerbeflächen in Wohnungsbau umgewandelt würden, wegen der hohen Grundstückspreise aber oft nicht die Stadtbau Aschaffenburg zum Zuge käme, sondern in der Regel private Investoren. Er wünsche sich genau wie seine Kollegin Karin Pranghofer ein Instrument, um auch private Investoren für sozialen Wohnungsbau zu begeistern.
„Wichtig ist, dass bald etwas geschieht und die Staatsregierung den enormen Handlungsbedarf erkennt“, stellte Martina Fehlner abschließend fest. „Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle. Also nicht nur für sozial schwächere Personen, sondern für eine breite Basis. Für Familien, Alleinerziehende, für Senioren und für Singles und vor allem für die sogenannten Schwellenhaushalte, die knapp über der Fördergrenze liegen, aber auf dem freien Markt kaum eine Chance haben.“